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Wollten die Alliierten am 2. März 1945 den Dom zerstören ?

The New York Times
Ausgabe vom 3. März 1945...

Beinahe eine echte Schlagzeile ?


War dies das Ziel der Alliierten ?

 
Die Theorie

Der Journalist Hermann Rheindorf behauptet unter Berufung auf den Luftkriegsexperten Gebhard Aders, daß die Alliierten beim Luftangriff auf Köln am 2. März 1945 gezielt den Kölner Dom zerstören wollten und wirft im Anschluß ergänzend die Frage auf, warum er dennoch stehen blieb.

Ein für die kölsche Seele nicht zu toppende Frage und der Kölner "Express", nahm die Theorie natürlich auch entsprechend gerne auf.

Die Alliierten wollten den Dom gezielt zerstören ? Was sind denn die angeblichen Beweise für diese Theorie ?

Nun, es werden keine Zeugenaussagen von Seiten der Allierten vorgelegt, etwa ein Zeitzeuge, der sagt: "Ja, wir wollten gezielt den Dom zerstören", man zeigt kein militärisches Schriftstück, aus dem sich der entsprechende Befehl zur Zerstörung des Doms deutlich ergäbe.

Nein, der Beweis ist ein Auszug aus dem Einsatzbuch einer am Morgen bombadierenden Einheit, mit einer Beschreibung des Angriffs, wonach unter anderem im Umfeld des Doms Markierungslichter zu sehen gewesen seien und Bombeneinschläge anschließend verstärkt in der Umgebung des "aiming points" festgestellt worden seien. Das zitierte Einsatzbuch wird auf der DVD "Köln 1945 Nahaufnahmen", auf der diese Theorie aufgestellt wird, ausschnittweise gezeigt

Quelle: DVD "Köln 1945 Nahaufnahmen" von Hermann Rheindorf

Ergänzend wird als weiterer Beweis auf einen Eintrag in einem Tagesreport der Bodentruppen vom 4. März 1945 verwiesen, daß die Einheiten in Köln informiert worden seien, den Dom nicht zu beschießen. Dies wird quasi so ausgelegt, daß die Allierten nach Tagen, wo der Dom zerstört werden sollte, endlich ein Einsehen gehabt hätten und der Dom nun sicher war.

 
Meine Bewertung

In dem Einsatzbuch der RAF vom 2. März 1945 steht nirgendwo ausdrücklich erwähnt, daß der Dom gezielt bombadiert bzw. beschoßen werden sollte.

Um die Hintergründe dieser Beschreibungen im Einsatzbuch besser verstehen zu können, muß man sich etwas mit der Materie der Zielfindung bei Bombenangriffen im 2. Weltkrieg beschäftigen.

Zielfindung

Man muß sich zunächst einmal klar machen, daß das Treffen eines bestimmten Zieles aus großen Flughöhen, in denen sich die Bomber wegen der feindlichen Flugabwehr regelmäßig befanden, jedenfalls in den damaligen Zeiten des 2. Weltkrieges nicht sehr einfach war. Es gab in den Bombern natürlich sogenannte "bombsights" also Zielhilfen zur Bestimmung des Ortes, wo die Bomben fallen würden. Aber wie heißt es in einer Verweisquelle im Internet:

Modern readers should understand that the Norden bombsight offered nothing close to the accuracy of modern precision-guided munitions; do not think of it as the deadly video games of the Gulf War and more recent conflicts where a bomb might go through a designated window or hit the center of the top of a tank turret.
...
It worked well enough in practice runs in sunny California at 10,000 feet with no flak or enemy planes. Over German airspace, in bad weather at 20,000 feet with shells exploding all around and enemy fighters a constant threat, the conditions for effective Norden user were rare. To work as intended, the Norden required the aircraft to fly straight and level for 30 seconds. "The flak is murder," the pilots said. "If you fly straight and level through it for more than ten seconds, you're a dead duck".

Zitat aus http://en.citizendium.org/wiki/B-17

Übersetzung:
"Die Leser in der heutigen Zeit sollten sich klar machen, daß das Norden Bombenzielgerät bei weitem nicht an die Genauigkeit heutiger präzisionsgesteuerter Munition heran kam; man kann es nicht vergleichen mit den tödlichen Videospielen des Golfkriegs und neuerer Konflikte, wo eine Bombe sogar durch ein gewünschtes Fenster fliegen könnte oder die Mitte der Spitze eines Panzerturms treffen würde.
...
Es funktionierte in der Praxis gut genug im sonnigen Kalifornien in einer Höhe von 10.000 feet, ohne Flak oder feindliche Flugzeuge. Über deutschem Luftraum, bei schlechtem Wetter, in einer Höhe von 20.000 feet mit um einen herum explodierenden Granaten und feindlichen Fliegern war ein konstanter Flug, eine Voraussetzung für die effektive Nutzung des Norden, sehr selten. Damit es korrekt arbeitete, war es erforderlich, daß das Flugzeug für 30 Sekunden gerade und eben flog. "Die Flak ist mörderisch," sagten die Piloten. "Wenn du mehr als 10 Sekunden gerade und eben durch sie fliegst, bist du eine tote Ente."

Die Möglichkeiten dieser Zielhilfe waren also seinerzeit in der konkreten Kampfsituation mehr als beschränkt, so daß schon hier fraglich ist, ob der Dom als solcher schon wegen dieser technischen Beschränkungen überhaupt das konkrete isolierte Ziel eines Angriffs sein konnte.

Der Dom als eigenes Angriffsziel taucht auch in keinen bisher bekannten Veröffentlichungen auf. Als Ziel des Angriffs vom 2. März 1945 wird gemeinhin die Zerstörung der Infrastruktur zwecks Abschneidung des Nachschubs und die Demoralisierung der verbleibenden Bewohner und Soldaten genannt. Nach dem Angriff haben dann tatsächlich viele Menschen die Stadt verlassen und sollen in der Trümmerstadt danach nur noch weniger als 20.000 Menschen gelebt haben.

Im Buch Frontstadt Köln, Endkampf 1945 an Rhein und Ruhr von Taylor/Niessen, Droste Verlag 1980, Seite 87 wird ein Augenzeugenbericht alliierter Bomberpiloten zur Motivation des Angriffs vom 2. März zitiert:

"Unser Auftrag lautete, das gesamte Stadtgebiet der Rheinmetropole mit ihren wichtigen Straßen- und Eisenbahnverbindungen in eine Kraterlandschaft zu verwandeln, um dem Feind die Benutzung dieser Verbindungswege unmöglich zu machen."

Kein Wort darüber, den Dom als besonderes Ziel gehabt zu haben.

Wie ging es bei der Zielfindung im 2. Weltkrieg nun im allgemeinen zu ?

Nun, die alliierten Bomberbesatzungen kannten "targets" und "aiming points". "Target" war dabei das eigentlich Zielgebiet oder -objekt, das konnte z.B. eine Stadt, ein Bahnhof oder eine Fabrik sein. Bei der Bombadierung bediente man sich dann sogenannter "aiming points", das waren auffällige und gut erkennbare Objekte in der Regel im Bereich bzw. inmitten des "targets". Diese "aiming points" also übersetzt etwa "Zielpunkte" dienten zur Orientierung und wenn man auf diese "aiming points" mit den "bombsights" zielte, sollte zumindest das eigentliche "target" getroffen werden können.

Das eigentliche Ziel war also in diesen Fällen gar nicht ausdrücklich oder in erster Linie dieser "aiming point" selber sondern seine Umgebung. Ggf. konnte je nach "target" natürlich auch der "aiming point" als Bestandteil des "targets" selber getroffen werden, jedoch war das nicht zwingend und kam offensichtlich auch gar nicht so häufig vor.

Noble Frankland, Historiker und Bomber Command Veteran:

The idea of area bombing was to attack an aiming point which lay at the centre of a large area whose destruction would be useful. It was, in other words, a way of making bombs which missed the aiming point contribute to the destruction of the German war machine. Since nearly all the bombs were missing the aiming point, there was a certain logic about the idea.
Zitat aus http://www.bbc.co.uk/ww2peopleswar/timeline/factfiles/nonflash/a1057367.shtml

Übersetzung:
"Die Idee der Flächenbombadierung war es, einen Zielpunkt anzugreifen, der in der Mitte einer großen Fläche lag, deren Zerstörung nützlich wäre. Mit anderen Worten war es eine Möglichkeit, Bomben, die den Zielpunkt verfehlten, zur Zerstörung der deutschen Kriegsmaschinerie beitragen zu lassen. Da nahezu alle Bomben den Zielpunkt verfehlten, steckte in dieser Idee eine gewisse Logik."

Danach war es also sogar eine Ausnahme, daß ein "aiming point" getroffen wurde.

Mit anderen Worten, wenn man also Köln und hier insbesondere z.B. die Innenstadt bzw. Altstadt bombadieren wollte, dann suchte man sich einen Punkt in diesem Gebiet, an dem man sich bei den Bombenabwürfen orientieren konnte bzw. auf den man zielen konnte, um den zu bombadierenden Bereich tatsächlich zu treffen. Wenn man dazu als den entsprechenden Punkt den Dom ausgewählt haben sollte, dann bleibt aber dennoch das Ziel natürlich in erster Linie Köln bzw. die Innenstadt bzw. die Altstadt. Möglicherweise mit getroffen wird auch der Dom, es wäre aber eine falsche Betonung davon zu sprechen, daß man gezielt den Dom angegriffen hätte.

Das wird generell auch unterstützt durch eine seinerzeit gemachte Auswertung von Bombenabwürfen:

In late 1943, one bomber in 25 hit within one mile of the aiming point, and only one in 5 even got within five miles.
Zitat aus http://en.citizendium.org/wiki/B-17

Übersetzung:
"Im späten 1943 traf einer von 25 Bombern innerhalb 1 Mile Entfernung vom Zielpunkt und nur 1 von 5 sogar innerhalb 5 Milen"

4 % der Bomber trafen das "target", also das Zielareal in einer Entfernung von bis zu 1 Mile (ca 1,6 km) vom "aiming point" und nur 20 % der Bomber auch nur in bis zu 5 Milen (ca. 8 km) Entfernung. Man kann sich also vorstellen, wieviel % der Bomber dann überhaupt noch dem eigentlichen "aiming point" gefährlich werden konnten.

Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß der "aiming point" nur zur Orientierung diente und nicht unbedingt zugleich das eigentliche Hauptziel der Bombadierung sein mußte und die Wahrscheinlichkeit eines direkten oder nahen Treffers zudem eher gering war.

Was waren denn eigentlich klassische "aiming points" ?
Das konnten z.B. städtische Plätze sein, Bahnanlagen, Brücken, größere Gebäude und natürlich auch ... Kirchen.

Aus einem Artikel der National Post:
Released from earlier restrictions and moral qualms by the German bombing of Warsaw, Rotterdam, London and Coventry, the RAF sought out targets that were easier to hit. In mid-1942, it resorted to area bombing - indiscriminate attacks on German cities. Critics called the policy "Aiming Point Cathedral." The Americans scornfully referred to it as "Agricultural Bombing.
Zitat aus http://network.nationalpost.com/np/blogs/fullcomment/archive/2010/02/12/bill-twatio-the-road-to-hell.aspx

Übersetzung:
"Aufgrund der deutschen Bombardierung von Warschau, Rotterdam, London und Coventry von früheren Einschränkungen und moralische Bedenken befreit, suchte die RAF Ziele heraus, die leichter zu treffen waren. Mitte 1942 führte dies zu Flächenbombardements - wahllose Angriffe auf deutsche Städte. Kritiker nannten diese Politik "Zielpunkt Kathedrale." Die Amerikaner bezeichnete es spöttisch als "Landwirtschaftliches Bombadieren".

"Aiming Point Cathedral" war also sogar eine bewußt gewählte Begrifflichkeit während des Krieges - wenn auch eine der Kritiker der Angriffe auf zivile Ziele - , gerade weil kirchliche Kathedralen in Städten aufgrund ihrer gut erkennbaren Stellung regelmäßig derartige "aiming points" im städtischen Umfeld waren.

Nun, eins muß jedem klar sein. Natürlich bot sich gerade bei Köln der Dom als ein die Umgebung weit überragendes massives Bauwerk angreifenden Verbänden als "aiming point" an und es wäre sicherlich ein falscher Gedanke, davon auszugehen, daß der Dom während des Krieges nie zuvor ein "aiming point" gewesen war sondern ggf. erstmals am 2. März 1945.

Der Rhein mit seinen Brücken und der Dom werden in Veteranen-Berichten immer wieder als wesentliche Merkmale der Stadt und damit Orientierungspunkte bei ihren Bomberflügen beschrieben.

... we did one particular daylight raid on Cologne, we were told that there was mist on the rhine and we were told we would see the twin towers of the cathedral sticking through the mist on the rhine. that was our aiming point 850 of us, we all aimed at it but nobody hit it.
Zitat aus http://www.flickr.com/photos/manintheorangeshirt/3947383369/

Übersetzung:
"... wir hatten einen speziellen Angriff auf Köln bei Tageslicht, uns wurde gesagt, daß es Nebel über dem Rhein lag und uns wurde gesagt, wir würden die Zwillingstürme des Domes durch den Nebel über dem Rhein stechen sehen. das war unser Zielpunkt 850 von uns, wir alle zielten auf ihn aber niemand traf ihn."

Und das zeigt auch noch einmal, daß der "aiming point" bei Bombenangriffen eigentlich noch recht sicher war, nicht getroffen zu werden. Ein weiterer Bericht:

Approaching Cologne we saw its Gothic cathedral, dominating the view of the city. The flak intensified and its close by explosions jogged our N for Nun, making it harder for me to keep it on course. I located approximate position of my target and made a turn. The railway station was covered with dense smoke and couldn't be seen. Only the cathedral's steeple was visible. Therefore, I decided to use it as an aiming point. I told Fabrycy (my bomb aimer) to unload right past it. The station was located some 100 meters away. Bombs always dropped in a sequence and their explosions formed a line on the ground. While flying at the right course, this would give a good chance to hit our target. I risked striking the cathedral only to achieve my objective: locating some bombs in the railway station.
Zitat aus http://www.polishsquadronsremembered.com/300/Gorski_3missions.html

Übersetzung:
"Bei der Annäherung auf Köln sahen wir seine gothische Kathedrale, welche das Stadtbild dominierte. Die Flak wurde intensiver und die nahen Explosionen schüttelten unsere Maschine durch und machten es schwieriger für mich, sie auf Kurs zu halten. Ich lokalisierte die ungefähre Position meines Zieles und machte eine Wendung. Der Bahnhof war von dichtem Rauch bedeckt und nicht zu sehen. Nur der Kirchturm des Doms war zu sehen. Daher entschied ich mich, diesen als Zielpunkt zu nutzen. Ich wies Fabrycy (meinen Bombenschützen) an, direkt dahinter abzuwerfen. Der Bahnhof war einige hundert Meter entfernt. Bomben fielen immer in einer Sequenz und ihre Explosionen formten eine Linie auf dem Boden. Auf dem richtigen Kurz fliegend gab uns dies eine gute Chance, das Ziel zu treffen. Nur um mein Ziel zu erreichen, einige Bomben in den Bahnhof zu setzen, riskierte ich auch die Kathedrale zu treffen."

Und gerade der letzte Bericht sagt noch etwas, auch wenn man den Dom als "aiming point" gewählt hatte oder dieser inmitten oder neben einem zu bombadierendem Gebiet oder Objekt lag, so war vielen Besatzungen doch daran gelegen, ihn nicht zu treffen.

Dies ist jedenfalls auch der Tenor bei vielen alliierten Luftkriegs-Veteranen, mit denen ich in den vergangenen Jahren Kontakt hatte und die mir versichert haben, daß sie es sich sogar zur besonderen Aufgabe gemacht hatten, den Dom bei ihren Angriffen nicht zu beschädigen.

Im folgenden Artikel äußert das Besatzungsmitglied eines Bombers, welcher am 2. März 1945 den Angriff auf Köln mit flog, Verwunderung, daß der Dom nach all den Kriegsjahren noch steht. Es findet sich kein Hinweis des Augenzeugen, daß man ihn nun gezielt zerstören sollte. Dieser Hinweis hätte sich im Zusammenhang mit der Verwunderung aber geradezu aufgedrängt - falls es tatsächlich so gewesen wäre, daß er ein konkretes Ziel gewesen wäre:

The next day, 2nd March, we went to Cologne in daylight. It was a sparkling morning and we took off at 0743hrs. Our duty — Visual Centerer. The Americans were camped on the banks of the Rhine and the bombers attacked German troops and armour which were in Cologne to oppose the Americans. There were 858 bombers on this operation that could be seen to stretch back for miles. The thing that surprised me was that, although Cologne had been bombed many, many times, the Cathedral was still standing. The duration was 4hs 20mins. It was the last raid on Cologne which was captured by American troops 4 days later.
Zitat aus http://www.bbc.co.uk/ww2peopleswar/stories/19/a8099319.shtml

Übersetzung:
"Am nächsten Tag, dem 2. März, ging es bei Tageslicht nach Köln. Es war ein glanzvoller Morgen und wir hoben um 07:43 Uhr ab. Unsere Aufgabe - Visual Centerer. Die Amerikaner lagen an den Ufern des Rheins und die Bomber attackierten deutsche Truppen und Ausrüstung, die sich in Köln aufhielten, um den Amerikanern Widerstand zu leisten. 858 Bomber waren bei diesem Einsatz beteiligt, der meilenweit zurück gesehen werden konnte. Was mich überraschte war, daß, obwohl Köln bereits viele, viele Male bombadiert worden war, der Dom immer noch stand. Der Einsatz dauerte 4 Stunden 20 Minuten . Es war der letzte Angriff auf Köln, welches von den amerikanischen Truppen 4 Tage später eingenommen wurde."

Markierungen am Dom

Nun wird in dem Einsatzbericht noch erklärt, daß Leuchtmarkierungen den Dom nördlich und südlich umgaben.

Die Markierungen aus roten und grünen Lichtern ...

... were reported to have straddled the CATHEDRAL to the North and South ...

Übersetzung:
" ... hätten den DOM nach Nord und nach Süd überbrückt, wurde berichtet ... "

Das ist natürlich nur eine sehr subjektive und zudem bildlich nur schwer nachvollziehbare Beschreibung, die auch dadurch nicht besser oder genauer wird, daß dem Verfasser des Eintrags im Einsatzbuch diese Beschreibung auch nur berichtet worden ist - "were reported". Zudem wird eine genauere Deutung der Lage der Markierungen auch erschwert durch den Umstand, daß sich ohnehin jede örtliche Beschreibung in Köln am Dom orientiert, der schon damals und gerade in einer ziemlich zerstörten Stadt der wichtigste Orientierungspunkt im Stadtgebiet war. Die Altstadt liegt südlich vom Dom, der Rhein östlich. In einer Schilderung eines Bomberpiloten liegt der Neumarkt "nahe" am Dom. Die Hohenzollernbrücke befindet sich östlich vom Dom, der bahnhof befindet sich nördlich vom Dom.
Insofern besagt die Information, daß sich Markierungen nördlich und südlich vom Dom befanden, für sich gesehen noch nicht so viel aus, zumal auch die jeweilige maximale Entfernung der Markierungen vom Dom nicht bekannt ist. Wenn man etwas in der Kölner Innenstadt / Altstadt markiert, die nun mal keine 10 km groß ist sondern rund um den Dom vielleicht in einem Umkreis von 500 m liegt, dann ist aus einigen Kilometern Höhe über der Stadt recht schnell immer irgendwo nördlich, südlich, östlich oder westlich vom Dom, der eigentlich gemeinte Ort kann aber trotzdem noch in einiger Entfernung von ihm sein.
Gerade ein Ortsfremder wird eine Beschreibung aus der Luft immer bevorzugt am Dom orientieren, insofern halte ich die genannte Beschreibung im Einsatzbuch noch nicht für so außergewöhnlich und damit einen sicheren Beweis, daß konkret der Dom markiert worden ist oder dieser gar gezielt angegriffen werden sollte. Stimmt die oben zitierte Motivation der Bomberpiloten, in Köln wichtige Verbindungswege zu zerstören, bezogen sich die Markierungen am Dom vermutlich auch mehr auf die daneben liegende Hohenzollernbrücke und den Bahnhof als auf den Dom.

Ein paar Worte zu derartigen Markierungen. Die Vorgehensweise der Markierung war im Bombenkrieg weit verbreitet, man markierte dabei in der Regel einen "aiming point", um ihn für die Bomberbesatzungen noch einmal besonders hervorzuheben oder man markierte auch schon einmal ein ganzes Areal. Allerdings war die in Köln sichtbare Markierung nach dem Bericht auch nur von kurzer Dauer - 2 Minuten - und verschwand dann im Rauch. Daß neue Markierungen nachgelegt worden wären, wird in dem Einsatzbuch auch nicht mehr behauptet. Im Anschluß dienten vielmehr die Qualmwolken über der Stadt als Orientierung bei den Bombenabwürfen:

... but by 1001 hrs the markers became obscured ... Master Bomber was instructing crews to aim a the centre of the upwind edge of the ... undershoot this point

Übersetzung:
" ... aber um 10:01 Uhr waren die Markierungen nicht mehr zu sehen ... der Master Bomber instruierte die Crews, auf die Mitte der aufsteigenden Qualmwolken zu zielen ... diesen Punkt zu unterzielen"

Der Master Bomber gab also die Aufforderung, auf den Rand in der Mitte der aufsteigenden Qualmwolken zu zielen und (to undershoot) den Beschuß kurz davor anzusetzen. Seinerzeit war dies ebenfalls eine übliche Vorgehensweise bei der Zielfindung, wenn Markierungen nicht mehr hinreichende Wirkung entfalteten. Angesichts des Windes würde dies dann bei einem mit dem Wind fliegenden Bomber zu einem Treffer dahinter im Bereich der Qualmwolken führen (der Flug mit dem Wind war zudem besonders vorteilhaft, weil der Bomber schneller das Zielgebiet passieren konnte und dem Beschuß der Flugabwehr umso kürzer ausgesetzt war).
Und schaut man sich die etwa zu diesem Zeitpunkt gemachten Aufklärungsfotos an (weiter unten auf dieser Seite ist eines zu sehen), wäre das "centre of the upwind edge" der Qualmwolken etwa der Bereich zwischen Neumark und Heumarkt gewesen und hätte dies im Ergebnis in Köln für einen Beschuß der Altstadt / Südstadt geführt.

Wie funktionierten denn derartige Markierungen allgemein, seinerzeit also insbesondere sog. "parachute flares" oder auch lang brennende "target indicators (T.I.'s)" - häufig auch in Form von Bomben, die zur Markierung am Boden lang brennendes Material enthielten?
Üblich war es, derartige Markierungen in verschiedenen Farben abzusetzen. Der Abwurf war in der Regel nicht viel leichter und genauer als der Abwurf von Bomben. Eine genaue Markierung war insbesondere bei den erwähnten "parachute flames" noch viel schwieriger, da diese an kleinen Fallschirmen hängenden Lichter häufig durch den Wind abgetrieben worden sind.
Gerade dann waren die Farben eine wichtige Hilfe. In der Regel wurden grüne oder rote Lichter verwendet (gelbe und weiße gab es auch) - und zwar getrennt. Per Funkdurchsage wurde den angreifenden Verbänden dann durch den sogenannten Master Bomber der Pathfinder force mitgeteilt, an welcher Farbe sie sich beim Abwurf der Bomben orientieren sollten. Waren gerade die grünen Farben dem Ziel am nächsten, wurde "bombadiert grün" durchgegeben, trieben z.B. die kleinen Fallschirme zu weit ab und war nun vielleicht rot mehr in der Nähe des Ziels, wurde der Befehl "bombadiert rot" gegeben. Mit weißen Markierungen wurden zuweilen auch schon einmal falsche andersfarbige Markierung sozusagen wieder aufgehoben.

Eine entspr. Beschreibung eines Angriffs aus dem Internet:

As you approached the target area you were listening for the voice of the Master Bomber on the Radio (they were the Pathfinder force that had gone way ahead of the Main force to mark the target accurately with coloured Red and Green target indicators) who would advise where to aim, relative to the Target Indicators . The other critical time was over the target,when, having dropped your load, you had to hold your course long enough for the camera to take a picture of the result (maybe 10 to 20 seconds, depending on height) before turning off onto the return course home.
Zitat aus http://www.bbc.co.uk/ww2peopleswar/stories/12/a4418912.shtml

Übersetzung:
"Während du dich dem Zielgebiet nähertest, hörtest du per Funk auf die Stimme des Master Bomber (das war die Pathfinder-Einheit, die dem Hauptfeld voran geflogen war, um das Ziel gründlich mit roten und grünen Markierungsleuchten zu markieren), der ansagen würde, wohin zu zielen sei, jeweils in Relation zu den Zielmarkierungen. Die andere kritische Zeit war über dem Ziel, wenn, nach Abwurf der Ladung, man den Flugkurs so lange halten mußte, bis die Kamera das Ergebnis im Bild fest halten konnte (vielleicht 10 bis 20 Sekunden, abhängig von der Höhe) und man auf Kurs nach Hause abdrehen konnte."

Es konnte also auch der Befehl gegeben werden, Ziele in bestimmten Abhängigkeiten zu den Markierungen anzuvisieren, "... where to aim, relative to the Target Indicators ...", es konnte also durchaus auch ein Anvisieren eines Punktes nördlich oder südlich der Markierung angesagt sein, so daß - selbst wenn man tatsächlich den Dom selbst markiert hätte - diese Markierung im Zusammenhang mit einer Ansage des Master Bombers auch bedeuten konnte, bombadiert südlich der Markierung, also z.B. die Altstadt. Zudem war die Kombination von verschiedenen Markierungsarten möglich und zudem konnten während eines Angriffs die Ansagen des Master Bombers je nach Wolkenlage, Qualmlage, Zugrichtung von "parachute flares" usw. schnell wechseln und so zuvor noch richtige und wichtige Markierungen bedeutungslos werden lassen.

Zudem gab es diverse Varianten des Markierens, Pathfinder Gruppen entwickelten z.T. eigene Methoden. So wird z.B. auch die Methode des "Off-set-marking" erwähnt:
Dabei wurde außerhalb des "targets" gegen den Wind ein spezieller Punkt markiert und von den Bombern als sozusagen virtueller "aiming point" genutzt, eine bewußt falsche Windangabe im "bombsight" sorgte dann dafür, daß die Bomben doch in Richtung des eigentlich richtigen "aiming point" fielen.

Am 2. März 1945 kam der Wind den Qualmfahnen folgend aus West / Nordwest. Die Methode des "Off-set-marking" hätte bei entsprechender Markierung des "virtuellen" aiming points im Bereich Dom z.B. zu einer Bombadierung der Altstadt geführt. Der Bericht schildert dazu auch, die Bombadierung hätte eine Tendenz gezeigt, auch in den Rhein hinein zu erfolgen, die Bomben schossen über das Ziel hinaus - sogenanntes "overshooting". Dies wäre bei einem Ziel Altstadt (die neben dem Rhein liegt) auch eine naheliegende mögliche Nebenfolge gewesen.

Und die Aufgabe des Master Bomber wird hier noch einmal beschrieben:

As the war wore on, the highly dangerous role of "Master Bomber" was introduced as a sort of Master of Ceremonies. The appointed Pathfinder (usually a highly experienced senior Officer) circled the target, broadcasting radio instructions to both Pathfinders and Main Force aircraft, correcting aiming points and generally co-ordinating the attack.
Zitat aus http://en.wikipedia.org/wiki/Pathfinder_%28RAF%29

Übersetzung:
"Als der Krieg weiter fortschritt, wurde die höchstgefährliche Funktion des "Master Bomber" als eine Art Zeremonienmeister eingeführt. Der ausgewählte Pathfinder (in der Regel ein sehr erfahrener Senior Officer) kreiste das Ziel ein, verbreitete Funkanweisungen sowohl an die Pathfinder als auch an die Flugzeuge des Hauptfeldes, korrigierte Zielpunkte und koordinierte generell den Angriff."

Insbesondere bei Beteiligung eines Master Bombers (wie am 2. März 1945 in Köln) waren Luftangriffe nach alledem also keine immer gleich ablaufenden Angelegenheiten. Der Master Bomber entschied mitunter kurzfristig wechselnde Strategien. Eine Markierung bedeutete nicht zwangsläufig, daß sich darin oder darunter das eigentliche Ziel befand. Die Praxis des "Off-set-marking" z.B. bei einem Ziel Altstadt auch eine Markierung im Bereich des Doms bedingen können.

Und selbst wenn in dem Tagesreport gesagt wird, die Bomber hätten auf die Markierungen zielen sollen (wo immer sie im Bereich Dom damals auch ganz genau gewesen sein mögen), sind wir wieder an dem oben ausführlich geschilderten Punkt angekommen, daß das entsprechend markierte Objekt als "aiming point" selbst bei Bombadierungen immer noch am sichersten gewesen wäre. Insofern gibt die Schilderung von erfolgten Markierungen im Bereich des Doms in dem Bericht noch überhaupt keinen ausreichend sicheren Hinweis auf eine gezielte Attacke auf den Dom.

Dom als aiming point ?

War denn der Dom an diesem Tag tatsächlich ein richtiger "aiming point" ?

Betrachtet man sich den Text des Einsatzbuches etwas genauer, fällt für den konkreten Angriff am 2. März 1945 die deutliche Unterscheidung bei den Bezeichnungen auf.

Der Bericht sagt aus, daß es bei der Markierung des Ziels aufgrund von Kommunikationsproblemen wohl zeitliche Verzögerungen gegeben hatte und Markierungen erst gegen 9:59 Uhr gesetzt worden waren (der Angriff auf Köln startete seinerzeit nämlich bereits gegen 9:46 Uhr). Es wird aber ebenso gesagt, daß aufgrund der seinerzeitigen perfekten Wettersituation in Köln die frühen Bomber keine Probleme gehabt hätten, den "aiming point" aufgrund seiner Lage zu Dom und Brücke auch visuell ohne diese Markierungen zu erkennen:

  ( ... )   target area was perfect and crews bombing in the early stages had no difficu...   ( ... )   ...ng the aiming point visually in relation to the CATHEDRAL and HOHENZOLLERN bridge"

Übersetzung:
"  ( ... )   Zielbereich war perfekt und Crews, die in den ersten Wellen bombten, hatten keine Schwierig...   ( ... )   ... den Zielpunkt visuell in Relation zu Dom und Hohenzollernbrücke"

Leider sieht man im Film nur einen Ausschnitt des Einsatzbuches, es fehlen ein oder zwei Worte am Anfang und Ende jeder Textzeile. Vermutlich heißt der von Rheindorf nicht gezeigte fehlende Teil zwischen den beiden Satzteilen aber "difficulties finding", somit hatten die Crews "keine Schwierigkeiten, den Zielpunkt visuell in Relation zu Dom und Hohenzollernbrücke zu finden".

Die Rede ist also von einem "aiming point", der sich an Dom und Hohenzollernbrücke orientiert. Also nicht der Dom selbst oder die Hohenzollernbrücke scheinen hier ganz offensichtlich der "aiming point" zu sein, die Bomber können sich aber an Dom und Brücke orientieren, um den "aiming point" zu finden.

Auffällig ist zudem, daß bei den Markierungen von der "straddled" "Cathedral" die Rede ist und nicht vom "straddled" "aiming point" gesprochen wird, beides wird also von der Wortwahl her deutlich getrennt, so daß die Schlußfolgerung naheliegt, daß der Dom gar nicht der eigentliche "aiming point" gewesen ist.

Der "aiming point" ist also in dem Bericht nicht eindeutig namentlich bestimmt. Es könnte sowohl der Zwischenraum zwischen Brücke und Dom sein, wo die Rampe zur Brückenauffahrt liegt, es könnte der Bahnhof sein, es könnte aber auch ein beliebiger anderer Punkt sein, der in einer bestimmten Lage ("in relation to...") zu Dom und Brücke liegt, z.B. in einem Dreieck zu Dom und Brücke oder südlich von Dom und Brücke. In beiden Fällen hätte dies also z.B. auch die Altstadt sein können, die südlich von Dom und Brücke liegt.

In den Filmausschnitten, die von einem Kameramann der RAF in einem von einem F/L Skelton geflogenen Flugzeug gemacht wurden, daß dort im wesentlichen zunächst die südlich des Doms befindlichen Gebiete unter Qualm liegen

Quelle: DVD "Köln 1945 Nahaufnahmen" von Hermann Rheindorf
Der Dom ist links oberhalb des Flugzeugs zu sehen.

Gewaltige Explosionen sind im kurzen Filmausschnitt im Bereich Heumarkt und im Bereich Neumarkts sichtbar. Deutsche Berichte über diesen Tag sprechen von heftigen Angriffen auf die Altstadt und die Südstadt, also alles Bereiche südlich des Doms. Nördlich des Doms ist so gut wie nichts zu sehen.

Das wird auch durch die aufgenommenen Luftbilder des Angriffs noch einmal deutlich, nachfolgend eines Luftbildes, welches offensichtlich um 9:58 Uhr aufgenommen worden ist

Quelle: DVD "Köln 1945 Nahaufnahmen" von Hermann Rheindorf
Zur Orientierung ist hier die Lage markanter Punkte in der Stadt markiert. Punkt 1 ist dabei der Barbarossaplatz, 2 der Neumarkt, 3 der Rudolfplatz, 4 ist der Deutzer Hafen, der hinter der heutigen Severinsbrücke liegt. Die heutige Lage der Severinsbrücke ist mit 5 bezeichnet, 6 ist die Lage der heutigen Deutzer Brücke, 7 die Hohenzollernbrücke und 8 der Dom - der Dom außerhalb von Qualmwolken gut sichtbar. Gepunktete Linie ist der Rheinverlauf. Am unteren Rand befindliche helle Stellen sind in erster Linie Aufhellungen, die sich am Rand der Aufklärungs-Bilder auch an anderen Stellen am Rand ergeben.

Deutlich wird, daß man wohl sicher nicht von einer Konzentration um den Dom herum sprechen kann sondern die Qualmwolken der Bomben im Bereich Altstadt und Südstadt liegen, also um den Bereich heutige Deutzer Brücke herum. Der Dom liegt am nördlichen Rand (auf dem Bild unten) der Qualmwolken, nicht gerade eine Lage in der Mitte der Bombadierungen. Das würde erneut für den Bereich Altstadt als "target" sprechen.

Nördlich des Doms befindet sich der Hauptbahnhof und diverse massive Bahnanlagen, die die Stadt in eine nördliche und eine südliche Hälfte teilen und Richtung Norden einen gewissen Schutz vor Angreifern bieten würden. Angesichts des geplanten Einmarsches war es den Truppen daher möglicherweise besonders wichtig, den südlichen Teil der Stadt weiter zu zerstören, um auch von dort einen gesicherten Zugang zum Zentrum mit Dom und Hohenzollernbrücke zu haben.

Insgesamt lassen sich insgesamt drei zeitlich aufeinander folgende Bombadierungsmethoden in dem Einsatzbericht finden:

1.) Bombadierung bei guter Sicht - ohne Markierungen - bezogen auf einen "aiming point" in Relation zu Dom und Brücke

2.) 2minütige Bombadierung im Zusammenhang mit den Markierungen bei guter Sicht

3.) Da bisheriger "aiming point" aufgrund Qualm nicht mehr sichtbar ist, Bombadierung ausgerichtet an der "upwind edge" der entstandenen Qualmwolken, als Methode seinerzeit auch "Pickwick" genannt

Alle Darstellungen des Berichts führen zusammenfassend nicht zwangsläufig zu dem Ergebnis, daß gerade der Dom gezielt bombadiert werden sollte.

Große Sprengbomben

Schauen wir nun noch einmal auf einen weiteren Aspekt der von Aders und Rheindorf aufgestellten Theorie.
Nach dieser Theorie sollten ja am 2. März 1945 besonders große Bomben (von bis zu 8.000 Pfund (3.629 kg) Gewicht) gerade auch auf den Dom und seine Umgebung abgeworfen worden sein, deren immense Druckwellen den Dom dann gezielt zum Einstürzen bringen sollte.
Im RAF-Filmausschnitt zum Angriff sind massive Explosionen im Bereich südliche Altstadt und auch einmal Neumarkt zu sehen, 500 - 1.000 m vom Dom entfernt

Quelle: DVD "Köln 1945 Nahaufnahmen" von Hermann Rheindorf
Starke Explosion im Bereich südliche Altstadt / Heumarkt.

In dem Buch "Die Chronik Kölns" aus dem Chronik Verlag, 2. Auflage 1992 heißt es zum Ergebnis des Angriffs vom 2. März 1945:

Besonders getroffen sind die Altstadt und die Südstadt. In ihrem Kern werden zahlreiche Gebäude, die bislang den Angriffen noch standhalten konnten, völlig zerstört.

In einem Augenzeugenbericht heißt es nach dem Angriff:

Bei der Hahnenstraße beginnt für mich Neuland. Gewaltige Trichter haben die Straße aufgerissen und unterbrochen. Häuser liegen quer über die Straße geworfen. Das Feuerwehrhaus ist ganz verschwunden, ebenso die Stirnseite des Neumarkts. Der Neumarkt ist von Trichtern zerfetzt. ... Das Richmodishaus, das größte noch stehende Gebäude, ist bis zum Erdboden niedergeworfen ... Das Polizeigebäude ist bis auf die Grundmauern niedergebrochen. ... Das Bild an diesem Straßenschnittpunkt [Langgasse/Breite Straße] übersteigt bei weitem alles, was wir an Furchtbarem bisher im Luftkrieg gesehen haben. Vier Straßenstücke, jedes mit meterhohem Schutt bedeckt ... Die Innenstadt ist durch diesen schrecklichen Angriff unpassierbar geworden.
Zitat aus "Starke verbände im Anflug auf Köln", von Heinz Pettenberg, J.P. Bachem Verlag, Köln, 1985

Beschrieben werden heftigste Zerstörungen im Bereich rund um den etwa 1 km vom Dom entfernten Neumarkt, die offensichtlich durch die genannten großen Sprengbomben und deren Druckwellen entstanden sind. War also möglicherweise sogar der Neumarkt der im Einsatzbuch nicht näher benannte aiming point gewesen, der somit im Mittelpunkt des Bombardements am 2. März stehen sollte ?

Wenn solche Bomben nach der Theorie von Rheindorf und Aders auch gezielt auf den Dom und seine Umgebung abgeworfen worden wären (und dieser nur aufgrund seiner gothischen Struktur stehen geblieben ist), muß man sich nun allerdings fragen, warum durch diese angeblich auf den Dom bzw. dessen engere Umgebung gefallenen Sprengbomben dann nicht zumindest die unmittelbare nichtgothische Häuserumgebung des Doms erheblich beschädigt worden ist, die Fassaden der Häuser rund um den Dom zum Einsturz gebracht worden sind.
Alle nach dem 2. März 1945 entstandenen Bilder lassen rund um den Dom keine derartigen Zerstörungen erkennen, keine umgeworfenen Häuser, keine vollständig bis zu den Grundmauern zerstörte Häuser

Die zum Dom gerichteten Fassaden der Häuser rund um ihn herum stehen noch. Hätten tatsächlich große Sprengbomben konzentriert auf den Dom einwirken sollen, wären die Häuser und Fassaden in der Umgebung sicher nicht mehr standhaft geblieben. Zudem finden sich auch keine großen Bombentrichter auf den Straßen und Plätzen rund um den Dom.

Auffällig ist insbesondere beim letzten Bild, daß die Häuser rund um den Dom weitgehend stehen geblieben sind, im Hintergrund die Kölner Altstadt aber nun wirklich sehr stark zerstört ist. Alles zusammen ein weiterer Hinweis, daß der Dom gar nicht ein konkretes Ziel des Angriffs gewesen ist, sondern tatsächlich die Altstadt bzw. die südlichen Stadtteile.

Rheindorfs und des Experten Aders Theorie, der Dom sei gezielt mit massiven Bomben attackiert worden, läßt sich also auch danach meines Erachtens nicht aufrecht erhalten. Sie würde Sinn machen, wenn rund um den Dom große Krater zu finden wären und/oder keine einzige Fassade der angrenzenden Häuser stehen würden. Beides ist nicht der Fall.

Der Dom blieb nicht etwa nur stehen, weil die Druckwellen naher großer Bomben ihm aufgrund seiner gothischen Bauweise nichts anhaben konnten sondern weil offensichtlich einfach keine der ganz großen Sprengbomben im direkten Umfeld des Domes gefallen waren. Und ein Bombeneinschlag z.B. in der Altstadt wirkte genau so wenig auf ihn ein, wie auf die Häuser unmittelbar um ihn herum.

Das Ziel-Pro und Contra

Machen wir uns zum Abschluß noch Gedanken, aus welchen Gründen der Dom von den Alliierten bewußt angegriffen worden sein sollten.

Dom
Pro
- Der Dom wäre nicht mehr für zukünftige Angriffe als Orientierungspunkt für angreifende Verbände notwendig gewesen
- Die Moral der Verteidiger hätte sinken können
 
Contra
- Für die sich nähernden Bodentruppen war der Dom weiterhin ein guter Orientierungspunkt, wo sich die Stadtmitte befindet, für den Vormarsch selbst aber auch für die Artillerie
- Für die Zerstörung wäre einiges an Bombenmaterial erforderlich gewesen. Rheindorfs Fachmann witzelt zwar, die Alliierten hätten die Standfestigkeit einer gothischen (im Gegensatz zu einer romanischen) Kirche unterschätzt. Es ist aber nach jahrelangen Bombadierungen Kölns, ohne daß der Dom zerstört worden ist, doch eher unwahrscheinlich, daß die Alliierten bei einer bewußten Bombadierung die Standfestigkeit so unterschätzt hätten. Viel Aufwand für ein einzelnes Bauwerk
- Ein zerstörter Dom bzw. die riesigen Trümmermassen des eingestürzten Doms hätten sicherlich den Weg zum Rhein und zur Brücke erheblich versperrt und somit den anstehenden Vormarsch der Alliierten erschwert
 

Köln war bereits ein Trümmerhaufen, dessen Wiederaufbau nach dem Krieg sogar fraglich war. Einwohner gab es nur noch wenige und viele militärische Verteidiger stammten gar nicht aus Köln, so daß die Moral durch die Zerstörung gerade des Doms meiner Meinung nach wohl eher weniger in Mitleidenschaft gezogen werden konnte.

Ein echter, überzeugender Grund für eine bewußte Zerstörung gerade des Doms scheint mir jedenfalls nicht erkennbar.

Der Tagesreport vom 4. März

Und schließlich gibt es ja auch noch den Hinweis in dem Tagesreport der alliierten Bodentruppen vom 4. März 1945, in dem es zum Zeitpunkt 18:00 Uhr heißt:

To all units from CG, VII Corps - Instruct all .... not to fire on or damage COLOGNE CATHEDRAL (dom)

Übersetzung:
"An alle Einheiten der CG, VII Corps - Weisen sie alle an ... nicht auf den Kölner Dom zu schießen oder ihn zu beschädigen"

Also es ist ein Tagesreport der Bodentruppen, am 4. März rückte man immer näher an die Stadt Köln heran und der Dom kam dadurch immer stärker in Gefahr, von den vorrückenden aliierten Bodentruppen beschossen werden zu können - absichtlich oder versehentlich. Vereinzelten Beschuß durch die Artillerie der Alliierten gab es bereits seit Ende Februar. Luftangriffe auf Köln gab es nach dem 2. März 1945 nicht mehr.
Der Befehl ist daher nichts anderes als der allgemeine Hinweis, den immer besser sichtbaren und erreichbaren Dom beim Vormarsch nicht absichtlich zu beschießen oder ihn unabsichtlich zu beschädigen. Der Befehl lautete auch nicht, er sei nicht mehr zu beschießen, es ist also nicht die Aufhebung eines vorherigen Schießbefehls. Zudem wäre es auch etwas weit her geholt, daß mit einem solchen Befehl an die Bodentruppen ein angeblicher, jedoch nicht öffentlich geäußerter Befehl an die Lufttruppen zum Angriff auf den Dom aufgehoben werden sollte ...

Diesen Befehl am 4. März in einen Zusammenhang mit den Bombenangriff am 2. März 1945 zu bringen, ist also meines Erachtens doch etwas sehr weit hergeholt und beweist daher nicht im geringsten, daß es zuvor einen Befehl zum Angriff auf den Dom gegeben hätte.

 
Quintessenz

Es ist nach meiner Auffassung davon auszugehen, daß die Alliierten den Dom selbst bei ihren Bombadierungen nicht ganz gezielt treffen wollten. Es wurde also mit dem Angriff am 2. März 1945 im wahrsten Sinne des Wortes der Weg zum Dom und zur Brücke geebnet, der Dom, der schon alle Jahre zuvor nie ein isoliertes Ziel war, sollte sicher aber auch beim letzten Angriff nicht ein direktes und gesondertes Ziel der Aliierten sein.

Wenn man die erste Aussage von Herrn Aders in der Dokumentation nach all diesen Erläuterungen noch einmal genau Revue passieren läßt, wird deutlich, dass ER eigentlich auch nicht behauptet hat, der Dom sei das absichtliche, konkrete Zerstörungsziel gewesen. Er hat sich da eher geschickt heraus gehalten. Er sagt nämlich nur, gemäß dem Einsatzbericht habe der Dom "im Zentrum" eines Angriffs gestanden. Diese Folgerung bzw. Auslegung, dass er gezielt zerstört werden sollte, hat somit erst Herr Rheindorf für seine DVD gezogen.

Aber dass der Dom im Zentrum eines Angriffs stand, ist für sich gesehen keine weltbewegende Neuigkeit. Denn der Dom steht mitten im Zentrum von Köln, wenn man die Innenstadt von Köln bombadiert, steht der Dom schon zwangsläufig im Zentrum eines Angriffs. Wo ist also die Sensation, wenn man sagt, der Dom stand im Zentrum eines Angriffs ?

Man sieht mal wieder, wie man mittels einer geschickten Interpretation einer Experten-Formulierung vor dem Hintergrund der fachlichen Unkenntnis der überwiegenden Zahl der DVD-Betrachter zur Methodik von Bombadierungen eine schöne Horrormeldung machen kann, die es in dieser Form aber in Wirklichkeit gar nicht gibt.

Weitere Weblinks zum Thema Luftangriffe im WWII:
Beschreibungen / Abhandlungen:
Typischer Ablauf eines Angriffs - Sicht Bomber
Erfahrungsbericht Bombercrew
Erfahrungsbericht Bombercrew
Erfahrungsbericht Einwohner Luftangriff auf Darmstadt Erfahrungsbericht Einwohner Luftangriff auf Dresden
Kriegstagebuch der Anneliese Stöbis, Münster
Kriegstagebuch der Kölner Familie Kolvenbach

 

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